Wenn der Hund trau­ert

Eine geliebte Bezugs­per­son oder ein vier­bei­ni­ger Freund ist ver­stor­ben und unser Hund ist die Tage dar­auf nicht mehr der oder die selbe. Der Hund scheint zu trau­ern.

Aber emp­fin­den Hunde Trauer?

Fyn­jas Ver­lust als Bei­spiel

Unsere geliebte Hün­din Fynja, ist mit 10 Jah­ren ver­stor­ben. Wir Men­schen wuss­ten seit einem Jahr, dass es so kom­men würde, so hat­ten wir die Mög­lich­keit, uns mit der Situa­tion bewusst aus­ein­an­der zu set­zen und men­tal dar­auf vor­zu­be­rei­ten. Naja, so gut man sich dar­auf vor­be­rei­ten kann.

  • Man bemüht sich, nicht jeden Tag Angst zu haben, dass es heute soweit sein könnte.
  • Man ver­sucht, nicht jeden Abend in Kum­mer zu ver­sin­ken, aus Sorge, dass es der Letzte sein könnte.
  • Man strebt an, jeden Tag noch­mal bewusst wun­der­voll zu gestal­ten und muss doch auch sei­nen Rou­ti­nen nach­ge­hen.

Wäh­rend man an stres­si­gen Tagen denkt: „Und wenn das heute der letzte Tag ist? Dann habe ich mehr gear­bei­tet als mit mei­nem Hund agiert.“ Ein Spa­gat aus „So tun, als sei alles nor­mal.“ und „Die Tage bewuss­ter gestal­ten.“, beglei­tet von Sorge und Angst. Eine zer­mür­bende Zeit – und doch bin ich dank­bar, dass wir Fynja noch wesent­lich län­ger um uns hat­ten und erle­ben dürf­ten als geschätzt. Und dabei war sie sehr lange noch agil, hatte eine Menge Spaß in Schwe­den, sprang durch die Blau­bee­ren, dass man kaum glau­ben konnte, dass sie durch ihr Osteo­sar­kom eine patho­lo­gi­sche Schul­ter­frak­tur hin­ter sich hatte und eine Menge Meta­sta­sen in sich trug. Sie war eine Kämp­fer­na­tur mit Lebens­wil­len und Lebens­kraft – bis zur letz­ten Sekunde.

 

Hat Fri­do­lin davon etwas ver­spürt?

In wie weit hatte Fri­do­lin an die­sem Pro­zess teil? Wie viel hat er mit­be­kom­men? Zwei Jahre haben die zwei gemein­sam ver­lebt. Fynja nahm ihn auf wie eine Zieh­mut­ter, als er mit nur fünf Mona­ten zu uns kam. Sie hat ihn geputzt und umsorgt, als wäre er ihr Klei­ner. Beide hat­ten eine unfass­bar enge Bin­dung, lagen stets ver­kno­tet und umschlun­gen über­ein­an­der oder zumin­dest neben­ein­an­der. Die zwei mach­ten nichts ohne ein­an­der. Als es Fynja schlech­ter ging und ihr der Tru­bel im Hun­de­zen­trum zu viel wurde und sie zuhause blei­ben musste, konnte sie ruhen, und er konnte in der Pen­sion mit ande­ren Hun­den toben. Die zwei haben sich herz­lichst begrüßt, wenn wir wie­der nach­hause kamen und waren sofort wie­der ein Bün­del aus Hun­den.

Hat Frido gemerkt was mit ihr geschieht? Konnte er ihre Tumore even­tu­ell rie­chen? So wie Hunde auch Krebs rie­chen kön­nen? Dass sie diese Fähig­kei­ten besit­zen, ist nicht neu. Deutsch­lands inter­na­tio­nale Medi­en­or­ga­ni­sa­tion DW (Deut­sche Welle) berich­tete bereits 2019 über eine ame­ri­ka­ni­sche Stu­die, mit einer erstaun­lich hohen Tref­fer­quote. Drei Bea­gles iden­ti­fi­zier­ten zu 96,7%  Lun­gen­krebs in Blut­pro­ben. Hea­ther Jun­queira, lei­tende Wis­sen­schaft­le­rin des Unter­neh­mens für For­schung und Pro­dukt­ent­wick­lung, Bio­S­centDx, führte die Stu­die durch und war begeis­tert. Ihre Arbeit berei­tete den Weg für neuen Ver­fah­ren der Krebs­er­ken­nung, wel­che inzwi­schen täg­lich zum Ein­satz kom­men und genutzt wer­den kön­nen unter: Dog­scan Deutsch­land.

 

Fri­do­lin als Fall­bei­spiel

Ob Frido ver­nom­men hat, dass Fynja abbaut, sich ver­än­dert und von uns gehen würde, das bleibt ein Geheim­nis. Aber wie er sich ver­hält nach­dem sie von uns ging, das ist offen­sicht­lich. Die ers­ten Tage lag er nahezu apa­thisch auf ihren Lieb­lings­plät­zen, mit ihren Lieb­lings­ku­schel­kis­sen oder Stoff­tie­ren. Er aß schlech­ter, er ver­hielt sich auf­fal­lend ruhig. Der lus­tige Clown kam nicht mehr zum Vor­schein. Es flo­gen keine Stoff­tiere durch die Zim­mer und auch auf rum­blö­deln stand dem kleine Mann nicht mehr der Sinn. Er lag, schlief oder starrte Löcher ins Nichts. Nur drau­ßen schien er abge­lenkt, auch im Hun­de­zen­trum war er leb­haf­ter und erfreute sich an den ande­ren Hun­den. Doch kaum wie­der Zuhause umgab ihn diese Leere. In mei­nen Augen trau­erte er ebenso wie wir. Tiere füh­len, wieso soll­ten sie also nicht auch Trau­ern kön­nen? Oder pro­ji­ziere ich nur und ver­mensch­li­che sein Ver­hal­ten? Aber gibt es nicht genug Video belegte Situa­tio­nen, in denen auch Tier aller Arten trau­ern?

 

Trau­ern Hunde wie wir Men­schen?

Diese Frage beschäf­tigte auch Nina Ruge, Hun­de­hal­te­rin, Jour­nal­si­tin und Autorin. Sie rich­tete diese Frage an Gün­ther Bloch, den Experte und Ahnen­for­scher für Hun­de­ver­hal­ten. Beide ver­fass­ten ein Buch, das sich mit der The­ma­tik aus­ein­an­der­setzt, was Hunde füh­len und den­ken. Dar­un­ter auch das Thema: Trauer. Ich hab die­ses Buch durch Zufall vor eini­gen Jah­ren, redu­ziert auf einem Son­der­pos­ten­tisch ent­deckt und mit­ge­nom­men. Zuge­ge­ben, bis heute habe ich da noch gar nicht genauer rein­ge­schaut. Aus aktu­el­len Anlass, habe ich es mir zur Hand genom­men, und tat­säch­lich wurde darin auch die Frage um trau­ern­den Hunde behan­delt. Nina Ruge beschreibt ein ähn­li­ches Ver­hal­ten wie das von Fri­do­lin, bei ihrem Hund Lupo, nach­dem ihre Hün­din Simba ver­starb. Gün­ther Bloch for­derte auf, die Ver­hal­tens­ver­än­de­rung als das wahr­zu­neh­men was sie ist: Trauer.

Er berich­tet aus sei­ner Jahr­zehn­te­lan­gen Erfah­rung durch „seine“ Wölfe. Nicht alle Hunde oder Wölfe trau­ern, ent­schei­dend sei wie eng die Bezie­hung zuein­an­der war. Er konnte beob­ach­ten wie sich Wölfe nach dem Ver­lust eines Grup­pen­mit­glieds sehr unru­hig oder miss­mu­tig ver­hiel­ten, sie heul­ten leid­voll und such­ten immer wie­der die Orte auf, an denen das Grup­pen­mit­glied ver­starb. (Bei Fynja, war es ihr Lieb­lings­platz, den Fri­do­lin nun immer bezieht.) Die ein­zel­nen Tiere trau­er­ten sehr unter­schied­lich, man­che wirk­ten regel­recht betrof­fen, andere fra­ßen kaum noch, ver­ein­zelt stimm­ten Ein­zel­tiere oder gar das ganze Rudel ein Trau­er­ge­heul an, wel­ches sich deut­lich vom Stan­dard-Heul­re­per­toire unter­schei­det. Gele­gent­lich ver­ster­ben sogar gesunde Ein­zel­tiere kurz nach dem Ver­lust eines Paar­part­ners.  2006 konnte er sogar beob­ach­ten, wie eine ver­wil­derte Hün­din, wel­che sie Lilly nann­ten, eine Mulde aus­bud­delte um ihre ver­stor­be­nen Wel­pen hin­ein­zu­le­gen und anschlie­ßend mit Laub zu bede­cken.

Bei Hun­den ist es also nach­weis­lich nicht anders. Stirbt ein Fami­li­en­mit­glied, egal ob Mensch, Hund oder Katze, dann trau­ert auch der hin­ter­blie­bene Hund.  Vor allem wenn Hün­din­nen und Rüden über die Jahre eine enge Bin­dung, ähn­lich der Paar­bil­dung bei Wöl­fen ein­ge­gan­gen sind. Die Trauer kann meh­rere Tage dau­ern, in denen der Hund eine „depres­sive“ Kör­per­spra­che an den Tag legt, wenig frisst und sich anders ver­hält. Dabei gibt es den intro­ver­tier­ten Typ, der sich still zurück­zieht und den extro­ver­tier­ten Typ, der dann auf­fal­lend unru­hi­ger ist.

 

 

Was hilft beim Trau­er­pro­zess?

Ein Rat den uns Doris Kaube, von der Tier­be­stat­tung Elb­flo­renz gab war: „Wenn Sie über Fynja reden ob vor Ort oder am Tele­fon, ver­wen­den sie statt ihrem Namen einen Kose­na­men und gestal­ten Sie für Fri­do­lin den Tag so nor­mal wie mög­lich, um seine Rou­ti­nen zu erhal­ten.“ Das bestä­tigt auch Gün­ther Bloch, in dem Buch, der fort­ge­führte rou­ti­nierte Tages­ab­lauf gibt dem Hund Halt und Sicher­heit. Hilf­reich seien beson­ders aus­ge­dehnte Spa­zier­gänge, gerne auch an neuen Orten und in Gesell­schaft ande­rer Hunde. Das lenkt ab und hilft zügig zu emo­tio­na­ler Sta­bi­li­tät, damit der Trau­er­pro­zess sich nicht zu arg in die Länge zieht.

Die Mei­nung teile ich: Trauer darf sein als Pro­zess, jedoch sollte er nicht zum Dau­er­zu­stand wer­den. Den Hund zu bedau­ern und mit ihm stun­den­lang zu wei­nen hilft reich­lich wenig, allen­falls uns selbst. Aber unsere Hunde bekom­men unsere Emo­tio­nen so oder so mit und sind oft genug See­len­trös­ter. In so einem Fall, müs­sen aber wir ihnen Halt und Trost geben. Wich­tig ist auch zu berück­sich­ti­gen, dass unser eige­ner Ver­lust sich schnell auf die Rou­tine und den Lebens­stil im Haus­halt aus­wir­ken kann, was zu Trau­rig­keit oder Ver­wir­rung beim Tier füh­ren kann. Der Tod eines Haus­tie­res kann unter ande­rem die Art und Weise ver­än­dern, wie wir mit dem über­le­ben­den Vier­bei­ner spie­len oder inter­agie­ren. Es ist jedoch wich­tig, dass wir unsere eige­nen Emo­tio­nen mög­lichst nicht über­tra­gen und dann dar­auf­hin pro­ji­zie­ren. Einen Bei­trag dazu fin­dest du hier. Es gilt also zu unter­schei­den: Reagiert der Hund auf unsere Trauer oder trau­ert er selbst? Wie ver­hältst du dich? Bist du anders als sonst?

 

Wie lange trau­ern Hunde?

Gün­ther Boch spricht von eini­gen Tagen. Fri­do­lin trau­ert nun schon einige Wochen oder bilde ich mir das ein? Jour­na­list Peter Cars­tens der GEO schrieb dazu einen Arti­kel, dazu bezog er sich auf eine Umfrage, in der 426 Hun­de­be­sit­ze­rIn­nen von mona­te­lan­gen Trau­er­fol­gen berich­te­ten. Jedoch wurde die Wahr­neh­mung der Befrag­ten von den Umfrage-Autoren kri­tisch hin­ter­fragt. Ich zitiere aus dem GEO Arti­kel.: „Ist die Trauer der „Hinterbliebenen“-Hunde eine unmit­tel­bare Reak­tion auf den Tod von Gefähr­ten – oder viel­leicht „nur“ eine Reak­tion auf die Trauer des Zwei­bei­ners? Denn Hunde, das betont auch Fede­rica Pir­rone , ent­wi­ckeln ein gro­ßes Gespür für kom­mu­ni­ka­tive Ges­ten und den Gesichts­aus­druck ihrer Besitzer*innen. Nicht unwahr­schein­lich also, dass sie „mit­trau­ern“.

Aller­dings äußert die Stu­di­en­au­to­rin Fede­rica Pir­rone von der Uni­ver­si­tät Mai­land dem Guar­dian gegen­über auch: „Hunde sind hoch emo­tio­nale Tiere, die sehr enge Bezie­hun­gen zu den Mit­glie­dern einer Fami­lie auf­bauen.“ Sie bestä­tigt, dass Hunde sehr trau­rig sein kön­nen, wenn jemand aus ihrem Ver­band stirbt. Ihr For­scher­team stellte wie Gün­ther Bloch fest, dass Hunde inten­si­ver trau­ern, wenn sie eine beson­ders enge Bezie­hung zum ver­stor­be­nen Gefähr­ten hat­ten.

Wie lange ein Tier trau­ert, hängt wohl letzt­lich vom jedem Indi­vi­duum und des­sen Umstän­den ab. Ein Bei­spiel: Eine Orca-Mut­ter wurde 2018 dabei beob­ach­tet, wie sie den Kon­takt zu ihrem tot­ge­bo­re­nen Baby 17 Tage lang auf­recht­hielt: Sie behielt es über eine Distanz von 1600 Kilo­me­tern bei sich – auf ihrer Schnauze.

 

Pfoten­funk Fazit:

Hunde trau­ern defi­ni­tiv so wie wir. Trauer darf sein, Trauer darf Raum ein­neh­men. Aber Trauer sollte nicht über­wäl­ti­gen. Wir kön­nen für uns uns trau­ern, wir kön­nen mit unse­rem Tier trau­ern, aber den­noch soll­ten wir dar­auf ach­ten unser Ver­hal­ten mög­lichst nicht zu arg in Gegen­wart des Hun­des zu ver­än­dern. Bei jedem Trä­nen­er­guß sofort den hin­ter­blie­be­nen Hund auf­zu­su­chen, ist eher ego­is­tisch als hilf­reich. Denn dein Hund braucht dei­nen Halt. Es ist also an uns, unse­rem Tier zu Seite zu ste­hen und ihm glei­cher­ma­ßen Raum zu geben, Halt durch Rou­ti­nen zu schaf­fen und für wohl­tu­ende Ablen­kung durch aus­ge­dehnte Spa­zier­gänge und mit Art­ge­nos­sen zu sor­gen. Die fri­sche Luft und der Aus­tausch mit ande­ren Hun­de­men­schen tut auch dir gut. Und denk dran beim Aus­tausch über das ver­stor­bene Tier, einen Kose­na­men zu nut­zen.

Ich hoffe du konn­test dir eini­ges dar­aus mit­neh­men und hat­test Spaß beim lesen.

LG Jenna alias Pfoten­funk

 

 

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