Kann man Vitamin D eigentlich überdosieren?

Neulich erreichte mich aus der Hunde Physiotherapie Praxis einer Freundin, eine Anfrage bezüglich Vitamin D. Eine Kundin wollte wissen ob sie ihrem Hund Vitamin D supplementieren kann, um den Wachstum seines Tumors zu entschleunigen. Und wenn dies der Fall wäre, in welcher Dosierung sie dann supplementieren sollte? Dazu schauen wir uns Vitamin D erst einmal genauer an.
Die Vitamin D Gruppe (Calciferole)
Es gibt verschiedene Formen von Vitamin D:
Vitamin D2 (Ergocalciferiol) wird aus pflanzlichen Quellen gewonnen, es hat eine geringere biologische Aktivität und wird von Hunden weniger effizient genutzt.
Vitamin D3 (Cholecalciferol) wird in der Haut durch UVB-Strahlung synthetisiert oder über die Nahrung aufgenommen. Es ist die wirksamste Form für Säugetiere, einschließlich dem Hund. Bei der Supplementierung bezieht man sich meist auf diese Form.
Calcidiol (25(OH)D3), ist die Speicherform von Vitamin D im Blut, die zur Bestimmung des Vitamin-D-Status gemessen wird.
Calcitriol (1,25(OH)2D3), ist die aktive Form von Vitamin D, welche in den Nieren produziert wird und direkt den Zellwachstum, die Immunfunktion und den Kalziumstoffwechsel beeinflusst.
Die wichtigsten Formen der Vitamin D Gruppe für die Ernährung, sind also das Vitamin D2 (Ergocalciferol) und das Vitamin D3 (Cholecalciferol).
was bewirken diese D‑Vitamine?
Wirkung im Darm:
Vitamin D2 und D3 helfen dem Körper Kalzium und Phosphor aufzunehmen, in dem sich die biologische aktive Form des Vitamins, das Calcitriol, in den Darmzellen an Vitamin-D-Rezeptoren (VDR) bindet. Dort reguliert es die Aufnahme von Kalzium und Phosphor.
Wirkung auf die Knochen
Laut der aktuellen 9.Auflage zur Ernährung des Hundes nach Meyer & Zentek, ist der genaue Einfluss auf den Knochenwachstum und den Knochenstoffwechsel noch nicht geklärt, aber Fakt ist, dass ohne die Kalzium-Phosphor-Regulation zu wenig Kalzium in den Körper gelangen würde und Knochen wie Muskeln dadurch negativ beeinflusst wären. Denn wenn der Kalziumspiegel im Blut zu niedrig ist, wirkt Calcitriol zusammen mit dem Parathormon (PTH), einem Hormon der Nebenschilddrüsen. Zum einen aktiviert es die Osteoklasten, diese regulieren wenn genügend Kalzium vorhanden ist, den Knochenaufbau und wenn zu wenig Kalzium vorhanden ist regulieren sie den Knochenabbau und setzen somit Kalzium ins Blut frei. Zum anderen sorgen sie dafür, dass die Ausscheidung von Phosphat über die Nieren verringert oder erhöht wird.
Wirkung auf die Nieren
Die Nieren steuern bekanntlich den Kalzium-Phosphor-Haushalt durch Ausscheidung oder Zurückhaltung. Vitamin D unterstützt diese Funktion, durch die Förderung der Rückresorption von Kalzium und Phosphor. HalterInnen mit nierenkranken Hunden werden schon von der sogenannte Renale P‑Exkretion gehört haben, welche beschreibt, wie viel Phosphat über die Niere ausgeschieden wird. Sie wird auch fraktionelle Ausscheidung genannt und hängt mit der glomerulären Filtrationsrate (GFR) zusammen. Die GFR gibt an wie gut die Nieren eine bestimmte Substanz aus dem Blut filtern und ausscheiden können. Diese Messung hilft, die Nierenfunktion zu überprüfen und zu beurteilen.
Wirkung auf das Immunsystem
Ähnlich wie Vitamin E reguliert auch Vitamin D entzündliche Prozesse und unterstützt zusätzlich den Zellwachstum. Daher wird es auch bei Tumorerkrankungen berücksichtigt. Denn es gibt Hinweise, die darauf schließen lassen, dass Vitamin D krebshemmende Eigenschaften mit sich bringt. Zum einen durch die Regulierung des Zellwachstums, zum anderen durch die Förderung des programmierten Zelltods (Apoptose), als auch durch die Hemmung von Neubildungen der Tumorblutgefäße (Tumor-Angiogenese). Es gibt Studien, welche zeigen, dass Hunde mit bestimmten Tumoren (Lymphome, Mastzellentumoren, Osteosarkome) meist niedrigere Vitamin-D-Spiegel aufwiesen als gesunde Hunde. In einigen Modellen, konnte Vitamin D das Wachstum von Krebszellen verlangsamen und weitere Studien deuten daraufhin, dass es die Wirkung von Chemotherapien verstärkt. Daher empfehlen sich auch Vitamin-D-haltige Diäten für Krebskranke-Hunde.
Wie bezieht der Körper Vitamin D?
Vergleichen wir hier einmal Mensch und Hund. Der Mensch kann Vitamin D über die Sonne bzw. UVB-Strahlung synthetisieren. Dem Hund, mit seinem Fellkleid bleibt da nur die Nahrung.
Vitamin D Aufnahme über die Haut
UVB-Strahlung (Wellenlänge 280–315nm) trifft auf die Haut, in der Haut befindet sich ein Vitamin-D-Vorstufe, das 7‑Dehydrocholesterin. Die UVB-Strahlen brechen eine chemische Bindung in dessen Molekül auf, dadurch entsteht Prävitamin D3. Dieses Prävitamin ist instabil und wird durch die Körperwärme in Cholecalciferol also das vollständige Vitamin D3 umgewandelt. Das Vitamin D3 gelangt dann über das Blut zur Leber und wird dort durch das Enzym Vitamin-D-25-Hydroxylase zu 25-Hydroxycholecalciferol, kurz Calcidiol (25(OH)D3). Wie bereits erwähnt, ist dies die Speicherform von Vitamin D und wird so in Fett- und Muskelgewebe gespeichert. Bei Bedarf wird es in den Nieren durch das Enzym 1‑alpha-Hydroxylase zum biologisch aktiven Calcitriol(1,25-(OH)2-D3), welches als Hormon im Körper wirkt. Je nach Jahreszeit, geografischer Lage, Melanin-Anteil in der Haut, Kleidung und das Alter, wird die Vitamin-D-Synthese beeinflusst. Beim Menschen reicht theoretisch ein tägliches Sonnenbad mit nackten Armen, Beinen und Gesicht für 10–30min (je nach Hauttyp) um den täglichen Vitamin-D-Bedarf zu decken. Je dunkler der Hauttyp, desto höher der Melanin Anteil, welcher die UVB-Strahlen absorbiert und damit die Synthese verringert.
Vitamin D Aufnahme über die Nahrung
Beim Hund findet wie bereits erwähnt, keine Umwandlung von 7‑Dehydrocholesterol zu Cholecalciferol statt. Der Hund nutzt das aus Pflanzen stammende Vitamin D2 und das aus tierischen Nahrungsquellen kommende Vitamin D3. Sowohl Cholecalciferol als auch Ergocalciferol werden mit einem Vitamin-D-bindenden Protein durch intestinale Lymphgefäße und das Portalsystem zu Leber oder Niere transportiert. In der Leber werden sie am C‑25-Atom hydroxyliert und in der Niere am C‑1-Atom. So bezeichnet man die chemische Reaktion, die ein oder mehrere Hydroxylgruppen in ein Molekül einführt. Durch die Hydroxylierung wird ein gewisses Maß an Wasserlöslichkeit erreicht. Nun liegt die biologische aktive Form des Vitamins vor , das Calcitriol, welches wie beim Menschen als Hormon wirkt.
Vitamin D Quellen:
Als natürliche Quelle dienen fettreiche Fischsorten (Lachs, Makrele, Sprotten, Hering), Leber, Eier und Milch oder alternativ Vitamin D als Supplement. Die meisten anderen Futtermittel, insbesondere pflanzlicher Herkunft (außer bestrahlter Hefe), sind dagegen Vitamin-D-frei oder ‑arm. Zur Ergänzung der Ration können vitaminierte Mineralfutter verwendet werden.
Randnotiz: Eventuell fragt sich jemand wie ich: Wieso manche Fische so Vitamin D reich sind? Sie ernähren sich überwiegend von planktonischen Algen und Kleinstlebewesen. Diese kleinen Mikroorganismen wandeln Sonnenlicht in Vitamin D um, ähnlich wie wir über die Haut.
Der Vitamin D Bedarf von Hunden
Der Vitamin‑D ‑Bedarf eines Hundes ist abhängig von der Kalzium-Phosphor-Zufuhr, deren Zusammenspiel wie bereits erklärt eng verbunden ist. Junghunde im Wachstum z.B. benötigen bei einem optimalen Ca-P-Verhältnis täglich etwa 10–20 IE Vitamin D/kg Körpergewicht. Während bei ausgewachsenen Hunden10 IE Vitamin D/kg Körpergewicht täglich ausreichen. Hündinnen benötigen während der Laktation und Gravidität die doppelte Menge. Bei Hunden mit Störungen der Gallenproduktion oder degenerativen Nierenerkrankungen, bei denen es zur ungenügenden Hydroxylierung des Vitamin D kommt, ist ebenfalls eine höhere Dosierung notwendig. Auch wenn das Ca/P‑Verhältnis einer Ration zu niedrig oder zu hoch ist, nimmt der Bedarf ebenfalls zu.
Vitamin D Mangel
Eine Vitamin-D-Unterversorgung kommt in der Regel kaum vor. Sollte dies der Fall sein, äußert sich das in einer ungenügender Mineralisierung des Skeletts (Rachitis). Der Vitamin-D-Status von Hunden kann beeinträchtigt werden durch chronische entzündliche Darmerkrankungen oder andere entzündliche Erkrankungen.
Vitamin D Überschuss
Immer wieder hört man „Vitamine kann man nicht überdosieren, der Körper scheidet aus was er nicht braucht.“ Das ist so aber nicht ganz richtig, denn Vitamin D ist fettlöslich und lagert sich dadurch ein. Sucht man nach Überdosierungen von Vitamin D stößt man schnell auf Begriffe wie „toxische Folgen“. Genau genommen begünstigt eine Vitamin D Überversorgung überhöhte Ca- und P‑Gehalte im Blut, außerdem Gefäßverkalkung, Polyurie, blutige Diarrhoe und andere Folge. Durch Sonnenlicht oder Nahrung kann es nicht zu einer Überdosierung kommen, lediglich durch eine übermäßige Supplementierung. Es konnte dokumentiert werden, dass die langfristige täglicher Zufuhr von 10000 IE oder eine einmalige Gabe von 200000 IE Vitamin D3/kg Körpermenge Nierenverkalkungen zur Folge hatten.
Deshalb sollte die Vitamin-D-Zufuhr auch bei therapeutischen Maßnahmen niemals das 5‑Fache des Normalbedarfs überschreiten. Selbst der futtermittelrechtliche Grenzwert beim Einsatz in Futtermitteln liegt in der EU bei 2270 IE/kg in der Trockensubstanz in einem Alleinfuttermittel. Vor einer Vitamin D Supplementierung sollte daher immer vorab ein Vitamin-D-Bluttest beim Arzt / Tierarzt, bei Mensch wie Tier durchgeführt werden. Denn auch bei Menschen ist eine Überdosierung möglich, ebenfalls ausschließlich durch die Einnahme von Nahrungsergänzungen. Für Menschen gibt es allerdings auch Selbsttests die man online bestellen oder in Drogerien erwerben kann. Ich würde jedoch davon abraten die bei deinem Hund anzuwenden.
Beurteilung von Vitamin D im Blut
Hier kommt nun das aufgeführte Calcidiol (25(OH)D3), die Speicherform von Vitamin D im Blut ins Spiel. Bei der Beurteilung dessen Wertes sind allerdings Unterschiede bei den Hunderassen zu berücksichtigen, denn großwüchsige Hunde weisen nachweislich höhere Gehalt im Blut auf als kleine Rassen. Von einer ausreichenden Versorgung sprechen wir bei einem Wert von ca. 25 und 100–120 µg/l. Allerdings beeinflusst auch die Messmethode das Ergebnis. Bei intestinalen Erkrankungen, chronischer Niereninsuffizienz als auch bei bestimmten Tumoren kann es durchaus zu geringeren Konzentrationen kommen. In dem Fall ist macht eine Supplementierung durchaus Sinn.
Vergleich Mensch und Hund:
- Bei Menschen ist eine Vitamin D Überversorgung durch Supplementierungen eher selten, dafür ist eine Unterversorgung fast der Regelfall.
- Bei Hunden hängt eine Unterversorgung von der Fütterung ab und betrifft einen Großteil der Hunde, jedoch wird hier wesentlich schneller überdosiert, wenn supplementiert wird.
Pfotenfunk Fazit zu Vitamin D
Den Irrglaube, dass man Vitamine nicht überdosieren kann, konnte ich hoffentlich verständlich widerlegen. Vor allem die fettlöslichen Vitamine (A, D, E, K) lagern sich in Fettgewebe und der Leber ein und können zu schwerwiegenden Schäden und toxischen Effekten führen. Ich werde in weiteren Beiträgen auf die Folgen bei Vitaminen A, E und K Überdosierungen noch im Einzelnen eingehen.
Wasserlösliche Vitamine (B‑Komplex, C) werden zwar nicht eingelagert sondern tatsächlich über die Niere ausgeschieden, dennoch führen zu hohen Dosen von Vitamin B6 als auch Vitamin C zu schädlichen Folgen. Dauerhaft zu viel Vitamin B6 kann zu Nervenschäden führen, während zu viel Vitamin C zu Magen-Darm-Beschwerden führt und vereinzelt Nierensteine fördern kann.
Um nun die einleitende Frage am Anfang des Beitrags zu beantworten: Vitamin D bei tumor-Patienten supplementieren macht durchaus Sinn und kann helfen, ja. Aber es sollte zuvor der Blutwert gemessen werden und die Zufuhr über die Futterration berücksichtig werden. Eine allgemeine Dosierungsvorgabe ist in dem Fall nicht möglich. Außerdem empfiehlt sich die Umstellung auf eine Tumor-Diät anstatt nur ein einzelnes Vitamin zu supplementieren. Dazu stehen euch ErnährungsberaterInnen zur Seite. Ich helfe da sehr gern weiter.
Wer als HalterIn selbst mehr zur eigenen Ernährung erfahren möchte, dem kann ich meine Ernährungsberaterin Sandra Wagner empfehlen. Wer mir auf Instagram folgt, der findet unter den Vitamin Beiträgen in den Kommentaren angepinnt, hilfreiche Tipps von ihr.
In diesem Sinne sonnige Grüße, eure Jenna alias Pfotenfunk
Quellennachweise zu Studien, Literatur und Berichten:
- H. Meyer und J. Zentek, Ernährung des Hundes, 9. Auflage
- Holick, M.F. (2007) „Vitamin D deficiency.“ New England Journal of Medicine, 357(3), 266–281 Wie Vitamin D über den Vitamin-D-Rezeptor (VDR) in Zellen das Wachstum regulieren kann, indem es Zellproliferation hemmt und Apoptose fördert.
- Feldman, D., Krishnan, A.V.,Swami, S., Giovannucci, E., & Feldman, B.J. (2014). „The role of vitamin D in reducing cancer risk and progression.“ Nature Reviews Cancer, 14(5), 342–357. Hier wird thematisiert, dass Vitamin D an der Regulation des Zellzyklus beteiligt ist und eine krebshemmende Wirkung haben kann.
- Aranow, C. (2011). „Vitamin D and the immune system.“ Journal of Investigative Medicine, 59(6), 881–886. Diese Studie zeigt, dass Vitamin D die Funktion von Immunzellen wie Makrophagen und T‑Zellen moduliert und eine entzündungshemmende Wirkung hat.
- Hewison, M. (2012). „An update on vitamin D and human immunity.“ Clinical Endocrinology, 76(3), 315–325 Wie Vitamin D entzündliche Prozesse beeinflussen und die Abwehrkräfte stärken kann.
- https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC5697176/ Studie (2017) Journal of Veterinary Internal Medicine, herausgegeben von Wiley Periodicals, Inc. im Namen des American College of Veterinary Internal Medicine. „Einfluss verschiedener Faktoren auf die zirkulierende 25(OH) Vitamin D‑Konzentration bei krebskranken und gesunden Hunden“
- https://www.vitalstoff-lexikon.de/VitamineA-C-D-E‑K/Vitamin‑D/Definition-Synthese-Resorption-Transport-und-Verteilung „Vitamin D – Definition, Synthese, Resorption, Transport und Verteilung“ Autoren: Dr. med. Werner G. Gehring Letzte Aktualisierung: 04.06.2024
- https://www.lgl.bayern.de/lebensmittel/chemie/inhaltsstoffe/naehrstoffe/vitamind_informationen.htm „Ausführliche Informationen zu Vitamin D“, Dokument aktualisiert am: 2022-02-04, Verfasst von: Dr. Brigitte Schlagintweit – Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit
- https://www.agila.de/agila-magazin/2806-zu-viel-des-guten-die-gefahren-von-zu-viel-vitamin-d-in-hundefutter „Zu viel des Guten: Die Gefahren von zu viel Vitamin D in Hundefutter“ vom Ragna Michel, veröffentlicht: 09. Juli 2019
- https://link.springer.com/article/10.1007/BF02047180 „Beitrag zur experimentellen Vitamin D‑Vergiftung beim Hund -III. Mitteilung Die Wirkung fraktionierter Vitamin D 2 ‑Gaben auf die Nierenfunktion“ Veröffentlicht: Band 129 , Seiten 325–334, ( 1957 )
- https://www.vetcontact.com/de/art.php?a=3530#:~:text=Die%20parenterale%20Administration%20von%20Clodronat,24%20Stunden%20nach%20der%20Intoxikation. „Clodronat zur Therapie einer Vitamin D3-Vergiftung beim Hund“ übersetzt und zusammengefasst aus: Ulutas, Bulent, Voyvoda, Huseyin, Pasa, Serdar & Alingan, Mustafa Kemal (2006): „Clodronate Treatment of Vitamind D‑induced hypercalcemia in dogs.“ Journal of Veterinary Emergency and Critical Care 16(2), 141–145.