Blut­spende beim Hund – was du wis­sen soll­test

Lebens­ret­ter auf vier Pfo­ten

Blut­trans­fu­sio­nen sind in der Tier­me­di­zin ein lebens­ret­ten­des Mit­tel, wie bei uns Men­schen auch. Doch nur wenige wis­sen, dass auch Hunde unter­schied­li­che Blut­grup­pen haben, und dass es sogar soge­nannte „Blut­spen­der­hunde“ gibt. Noch weni­ger bekannt ist, unter wel­chen Bedin­gun­gen man­che die­ser Hunde in den USA leben müs­sen. In die­sem Bei­trag kläre ich auf über:

  • Blut­grup­pen bei Hun­den – wel­che gibt es?
  • Spen­der­kri­te­rien – wor­auf kommt es an?
  • Warum und wann kann die Blut­gruppe dei­nes eige­nen Hun­des wich­tig sein?
  • Und was steckt hin­ter dem Begriff „Blut­bank“ wirk­lich?

1. Haben Hunde ver­schie­dene Blut­grup­pen?

Ja, Hunde haben unter­schied­li­che Blut­grup­pen, sogar mehr als wir. Genau genom­men haben sie ein eige­nes Blut­grup­pen­sys­tem, das DEA-Sys­tem (Dog Ery­thro­cyte Anti­gen). Inner­halb die­ses Sys­tems gibt es meh­rere Anti­gene, also Ober­flä­chen­struk­tu­ren auf den roten Blut­kör­per­chen. Diese wer­den ein­ge­teilt in: DEA 1.1, 1.2, 3, 4, 5, 7.

Die wich­tigste Blut­gruppe bzw. das wich­tigste Anti­gen für Trans­fu­sio­nen ist DEA 1.1, weil die­ses am stärks­ten immu­no­lo­gisch wirkt – also am ehes­ten vom Emp­fän­ger­hund als „fremd“ erkannt wird, wenn es nicht über­ein­stimmt. Hunde mit DEA 1.1‑positivem Blut tra­gen die­ses Anti­gen auf ihren Ery­thro­zy­ten. Hunde mit DEA 1.1‑negativem Blut tra­gen es nicht.

Warum ist DEA 1.1 so rele­vant?

Ein DEA 1.1‑negativer Hund, der DEA 1.1‑positives Blut bekommt, kann bei einer zwei­ten Trans­fu­sion eine mas­sive Immun­re­ak­tion ent­wi­ckeln, weil sein Kör­per beim ers­ten Mal Anti­kör­per gegen DEA 1.1 gebil­det hat. Des­halb gilt DEA 1.1‑negatives Blut als „uni­ver­sal ver­wend­bar“, da es bei einem Erst­emp­fän­ger mit unbe­kann­ter Blut­gruppe sehr sel­ten zu einer Reak­tion kommt.

Somit kon­zen­triert man sich im kli­ni­schen All­tag auf DEA 1.1, weil es das rele­van­teste Anti­gen für Trans­fu­si­ons­re­ak­tio­nen ist und ein „Miss­match“ ver­hin­dert wer­den möchte. Des­halb tes­tet man vor allem auf DEA 1.1, diese Blut­gruppe ist bei allen Hun­den ver­tre­ten und hier besteht auch das größte Risiko einer Inkom­pa­ti­bi­li­tät. Die ande­ren Blut­grup­pen (DEA 3, 4, 5, 7) könn­ten theo­re­tisch auch zu Reak­tio­nen füh­ren, tun das aber viel sel­te­ner. Hinzu kommt, dass es nicht für alle Blut­grup­pen kom­mer­zi­elle Schnell­tests für die Pra­xis gibt, was eine Rou­ti­ne­dia­gnos­tik erschwert. Für DEA 1.1 gibt es eine Viel­zahl an Schnell­tests, da es am rele­van­tes­ten ist.

Wenn alle Hunde Blut­gruppe 1.1 (+/-) haben, wie kön­nen sie dann noch wei­tere Blut­grup­pen haben?

Hunde haben nicht nur eine Blut­gruppe, son­dern ein gan­zes Sys­tem von mög­li­chen Blut­grup­pen­an­ti­ge­nen – das erwähnte DEA-Sys­tem.  Die­ses Sys­tem besitzt jeder Hund und es besteht wie schon erklärt aus meh­re­ren ver­schie­de­nen Anti­ge­nen, z. B.: DEA 1 (unter­teilt in 1.1 und 1.2, frü­her auch mal 1.3 etc.) wei­ter zu DEA 3,4. u.s.w.. Somit kann ein Hund also meh­rere die­ser Blut­grup­pen gleich­zei­tig besit­zen. Als Bei­spiel: Ein Hund ist z. B. DEA 1.1‑positiv, DEA 3‑negativ, DEA 4‑positiv, DEA 5‑negativ usw. Man könnte sich das vor­stel­len wie eine Art „Blut­grup­pen-Pass“, in dem meh­rere Merk­male auf­ge­führt sind, je nach­dem, wel­che Anti­gene auf sei­nen roten Blut­kör­per­chen sit­zen.

Noch­mal kom­pakt zum mit­schrei­ben:

  • Alle Hunde haben meh­rere Blut­grup­pen­merk­male gleich­zei­tig.
  • DEA 1.1 ist dabei das kli­nisch wich­tigste Merk­mal, weil die posi­tiv-Vari­ante die häu­figs­ten und schwers­ten Trans­fu­si­ons­re­ak­tio­nen aus­löst.
  • Ob ein Hund „Uni­ver­sal­spen­der“ ist, hängt vor allem davon ab, ob er DEA 1.1‑negativ ist – das ist der wich­tigste Mar­ker.
  • Wei­tere Blut­grup­pen wie DEA 3, 4, 5, 7 gibt es auch, sie spie­len aber in der Pra­xis meist eine unter­ge­ord­nete Rolle.

Was pas­siert eigent­lich bei einer Trans­fu­si­ons­re­ak­tion?

Wenn der Emp­fän­ger­hund Anti­kör­per gegen Anti­gene im Spen­der­blut hat, erkennt sein Immun­sys­tem die frem­den Ery­thro­zy­ten als Ein­dring­linge und zer­stört sie. Die­sen Vor­gang nennt man hämo­ly­ti­sche Trans­fu­si­ons­re­ak­tion. Typi­sche Fol­gen sind dann: Fie­ber, Unruhe, Erbre­chen, Zer­stö­rung der Spen­der-Ery­thro­zy­ten (Hämo­lyse) und im schlimms­ten Fall ein Kreis­lauf­zu­sam­men­bruch oder das Able­ben des Hun­des. Des­halb ist eine erste Trans­fu­sion mit DEA 1.1‑negativem Blut bei unbe­kann­ter Blut­gruppe der sicherste Weg  und ab der zwei­ten wird unbe­dingt getestet/​gekreuzt um jedes Risiko zu mini­mie­ren.

2. Muss ich die Blut­gruppe von mei­nem Hund ken­nen?

Bei der ers­ten Blut­trans­fu­sion ist eine Blut­grup­pen­be­stim­mung beim Hund nicht zwin­gend erfor­der­lich, da Hunde keine natür­li­chen Anti­kör­per gegen andere Blut­grup­pen besit­zen. Den­noch emp­fiehlt sich eine Kreuz­probe. Bei wei­te­ren Trans­fu­sio­nen ist eine genaue Blut­grup­pen­be­stim­mung dann extrem wich­tig, um immu­no­lo­gi­sche Reak­tio­nen zu ver­mei­den. Wenn man die Blut­gruppe des eige­nen Hun­des kennt, kann das im Not­fall wert­volle Zeit spa­ren um ihm das Leben zu ret­ten oder umge­kehrt, um ihn als Spen­der­hund in Frage kom­men las­sen. Im Not­fall wird in den Pra­xen so oder so getes­tet, um jedes Risiko zu ver­mei­den. Aus­ge­nom­men dort liegt die Blut­gruppe schon vor.

 

3. Warum ist die Blut­gruppe im Blut­bild nicht ersicht­lich?

Ein klas­si­sches Blut­bild umfasst keine Blut­grup­pen­be­stim­mung. Der Grund ist ein­fach: Die Blut­gruppe ist für Rou­ti­ne­un­ter­su­chun­gen irrele­vant und der Test ist spe­zi­el­ler und auf­wän­di­ger. Er wird nur bei Bedarf durch­ge­führt, z. B. vor einer Ope­ra­tion, im Not­fall oder wenn der Hund als Spen­der infrage kommt. Wer die Blut­gruppe sei­nes Hun­des erfah­ren möchte, kann das aber beim Tier­arzt gezielt tes­ten las­sen.

 

4. Wel­che Hunde eig­nen sich als Spen­der?

Als Blut­spen­der kom­men Hunde infrage, die:

  • über 25 kg wie­gen
  • gesund und frei von chro­ni­schen Erkran­kun­gen sind
  • keine Dau­er­me­di­ka­tion erhal­ten
  • zwi­schen 1 und 8 Jah­ren alt sind
  • regel­mä­ßig geimpft und ent­wurmt sind
  • idea­ler­weise DEA 1.1‑negativ sind (aber auch posi­tive Spen­der sind mög­lich)

 

5. Wind­hunde sind als ideale Spen­der bekannt – warum?

Bei Wind­hun­den denkt man zunächst an unter­ge­wich­tige kleine Wesen ‚die keine 25 kg wie­gen. Bekannt ist auch das Wind­hunde abwei­chende Blut­werte haben, was eben­falls erst ein­mal den Ein­druck erweckt, dass sie am wenigs­ten geeig­net wären. Jedoch sind vor allem Grey­hounds und auch Gal­gos, als die grö­ße­ren Wind­hunde beson­ders geeig­net als Spen­der­hunde. Warum? Viele von ihnen sind DEA 1.1‑negativ. Sie haben nied­rige Anti­kör­per­ti­ter und dadurch gerin­ge­res Risiko für Trans­fu­si­ons­re­ak­tio­nen. Hinzu kommt, dass ihre abwei­chende hohe Ery­thro­zy­ten­kon­zen­tra­tio­nen – also beson­ders „effek­ti­ves“ Blut gilt. Gerade diese Eigen­schaf­ten machen sie in Tier­kli­ni­ken sehr gefragt und lei­der auch zur Ziel­scheibe frag­wür­di­ger Prak­ti­ken.

 

6. Blut­ban­ken für Hunde: Grau­zone oder Not­wen­dig­keit?

In Europa (beson­ders in Deutsch­land, Öster­reich, Schweiz) arbei­ten Blut­ban­ken mit Tier­kli­ni­ken und frei­wil­li­gen Spen­der­hun­den zusam­men. Ethisch ver­tret­bar und medi­zi­nisch sicher. Anders sieht es in Tei­len der USA aus: Dort gibt es soge­nannte „clo­sed colony“ Blut­ban­ken, in denen Hunde (meist Grey­hounds) dau­er­haft in Zwin­gern leben und regel­mä­ßig zur Blut­ent­nahme ver­wen­det wer­den. Diese Ein­rich­tun­gen ste­hen stark in der Kri­tik, weil:

  • die Hunde oft unter reiz­ar­men Bedin­gun­gen leben
  • kaum Bewe­gung oder Sozi­al­kon­takt haben
  • und über Jahre hin­weg „funk­tio­nal“ als Spen­der gehal­ten wer­den

Das Leben die­ser Hunde unter­schei­det sich damit kaum von dem in Ver­suchs­tier­hal­tung. Auch wenn die Tiere medi­zi­nisch ver­sorgt wer­den und „offi­zi­ell“ gut behan­delt wer­den sol­len, ent­spricht das nicht dem, was man sich unter art­ge­rech­ter Hal­tung vor­stellt, vor allem nicht für sen­si­ble Ras­sen wie Wind­hunde. PETA ver­öf­fent­lichte eine Unter­su­chung über Hemo­pet, eine der bekann­tes­ten Blut­ban­ken in den USA.  Die Orga­ni­sa­tion hält über 200 Grey­hounds, viele davon ehe­ma­lige Renn­hunde, in kar­gen Bedin­gun­gen und zur regel­mä­ßi­gen Blut­ent­nahme.  Obwohl Hemo­pet behaup­tet, die Hunde wür­den spä­ter adop­tiert, zeigt die Unter­su­chung, dass viele Tiere über Jahre hin­weg in die­sen Ein­rich­tun­gen ver­blei­ben.

Kali­for­nien als Vor­rei­ter

Ein umfas­sen­der, inves­ti­ga­ti­ver Bericht der Los Ange­les Times, beleuch­tet die Rea­li­tät soge­nann­ter „clo­sed colony“ Blut­ban­ken in Kali­for­nien.  Diese Ein­rich­tun­gen hal­ten Hunde, oft Grey­hounds, in Zwin­gern, um regel­mä­ßig Blut zu ent­neh­men.  Obwohl Kali­for­nien gesetz­lich beschlos­sen hat, diese Pra­xis zu been­den, lie­fern diese Ein­rich­tun­gen wei­ter­hin den Groß­teil des tie­ri­schen Blu­tes im Bun­des­staat.  Der Arti­kel deckt auch auf, dass es keine gesetz­li­chen Beschrän­kun­gen gibt, wie lange ein Hund als Spen­der gehal­ten wer­den darf, und dass keine Offen­le­gungs­pflicht über die Anzahl der jähr­lich ein­ge­schlä­fer­ten Tiere besteht.

Inzwi­schen hat Kali­for­nien gesetz­lich begon­nen, diese Pra­xis ein­zu­schrän­ken und „com­mu­nity-based“ Blut­spen­den zu för­dern. Ein ers­ter Schritt, in die rich­tige Rich­tung. Das kali­for­ni­sche Gesetz AB 1282 zielt nun län­ger­fris­tig dar­auf ab, die Pra­xis der „clo­sed colony“ Blut­ban­ken zu been­den und durch frei­wil­lige Spen­den von Haus­tie­ren zu erset­zen.  Es defi­niert klare Kri­te­rien für „com­mu­nity sourced“ Blut­ban­ken, bei denen Tiere bei ihren Besit­zern leben und nur gele­gent­lich zur Blut­spende gebracht wer­den.  Das Gesetz sieht vor, dass „clo­sed colony“ Ein­rich­tun­gen aus­lau­fen, sobald die frei­wil­li­gen Spen­den den Bedarf decken kön­nen.

7. Alter­na­tive: Frei­wil­lige Spen­der­hunde

In Europa, vor allem im deutsch­spra­chi­gen Raum, funk­tio­nie­ren Blut­ban­ken anders. Hier arbei­ten viele Tier­kli­ni­ken mit pri­va­ten Spen­der­hun­den, die bei ihren Hal­tern leben. Diese Hunde wer­den gesund­heit­lich über­wacht, und es wird max. 4–6 Mal pro Jahr Blut abge­nom­men, je nach Größe und Zustand. Das geschieht unter tier­ärzt­li­cher Kon­trolle und mit mög­lichst wenig Stress. Gerade bei Grey­hounds arbei­ten viele Hal­te­rIn­nen frei­wil­lig mit, weil sie wis­sen, wie wert­voll ihr Hund als Spen­der sein kann.

Die Grey­hound Health Initia­tive zum Bei­spiel, betreibt eine Blut­bank, die aus­schließ­lich mit frei­wil­li­gen Spen­der­hun­den arbei­tet.  Die Hunde leben bei ihren Besit­zern und wer­den nur nach sorg­fäl­ti­ger Aus­wahl und Gesund­heits­prü­fung zur Spende ein­ge­la­den.  Nach der Spende erhal­ten die Hunde Beloh­nun­gen, und der gesamte Pro­zess ist dar­auf aus­ge­rich­tet, Stress zu mini­mie­ren.  Dies zeigt, dass es durch­aus ethisch ver­tret­bare Alter­na­ti­ven gibt.

8. Wie länge hält sich über­haupt eine Blut­kon­serve?

Gespen­de­tes Hun­de­blut hält sich gekühlt etwa 4 Wochen, daher ist nur eine natio­nale Nut­zung mög­lich und ein inter­na­tio­na­ler Ver­sand eher unüb­lich. In Deutsch­land gibt es regio­nale Blut­ban­ken, z.B. an Uni­ver­si­tä­ten. Dort wer­den Kon­ser­ven von frei­wil­li­gen Spen­dern regel­mä­ßig zur Ver­fü­gung gestellt und auf­be­wahrt

Pfoten­funk Fazit:

Wer sich mit dem Thema Blut­spende beim Hund beschäf­tigt, stellt schnell fest: Es geht um mehr als nur einen Trop­fen Blut. Es geht um Leben ret­ten, aber auch um Ver­ant­wor­tung, Auf­klä­rung und ethi­sches Han­deln. Die eigene Hun­de­blut­gruppe zu ken­nen, kann im Ernst­fall ent­schei­dend sein. Und je mehr Men­schen sich über die­ses Thema infor­mie­ren, desto weni­ger Platz bleibt für frag­wür­dige Prak­ti­ken im Ver­bor­ge­nen.

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