Frido – Ein Körper im Ausnahmezustand

Mein Weg mit Frido – Leben mit einem Hund mit extremen Unverträglichkeiten
Frido ist kein gewöhnlicher Hund. Er ist ein sensibler, energiegeladener Galgo mit einem ganz besonderen Stoffwechsel – und einer Verdauung, die jede kleine Abweichung gnadenlos abstraft. Als tierärztlich geprüfte Ernährungsberaterin für Hunde habe ich in meinem eigenen Tier die wahrscheinlich härteste Herausforderung erlebt, die diese Ausbildung mit sich bringen kann.
Ein Körper im Ausnahmezustand
Frido leidet von klein auf nicht nur an einer einfachen Futtermittelunverträglichkeit, sondern an einem hochkomplexen Zusammenspiel aus Resorptionsstörung und massiver Fettunverträglichkeit durch eine exokrine Pankreasinsuffizienz inklusive multipler Intoleranzen. Sein Pankreas produziert nur sehr geringe Mengen an Verdauungsenzymen (insbesondere Lipase), weshalb selbst kleinste Fettmengen auch aus gut verdaulichen Quellen wie mittelkettigen Fettsäuren (z.B. Kokosöl) zu Fettstuhl oder Durchfall führen. Trotz Enzymgabe bleibt die Fettverdauung eingeschränkt, was die Nährstoffaufnahme zusätzlich erschwert und das Risiko für sein Untergewicht weiter erhöht. Bei einer exokrinen Pankreasinsuffizienz sind meist alle drei Hauptenzyme (Lipase, Amylase, Protease) betroffen. Besonders jedoch die Lipase, da sie am empfindlichsten auf Pankreaszellschäden reagiert. Daher reagiert Frido nicht nur auf Fett, sondern zeigt auch Unverträglichkeiten/Intoleranzen gegenüber Kohlenhydratquellen durch die stark eingeschränkte Amylase-Aktivität. Durchfälle aber vor allem nässenden Hautreaktionen an den Ohren begleiteten uns fast 3 Jahre lang.
Damit nicht genug: Seine Darmflora ist sehr instabil. Schon kleinste Belastungen – etwa durch Zusatzstoffe, Öle, oder eine falsche Kohlenhydratquelle kann unmittelbare Reaktionen hervorrufen. Nach mehreren Darmsarnierungen sind seine Durchfälle inzwischen binnen 24h selbst regulierend. Aber folgen zu viele Ausnahmen aufeinander, müssen wir auch schon die nächste Darmsanierung starten, damit sein Darmmikrobiom sich wieder fängt. Ein einfacher Wiederaufbau, reicht bei ihm nicht aus. Präbiotika – Nährboden für die guten Bakterien, benötigt Frido permanent.
Und um es noch komplizierter zu gestalten, frisst Frido selektiv: Fleisch ja, Kohlenhydrate oder Gemüse – eher nicht. Die Folge bei einer Kochration: einseitige Ernährung, ein steigender Kreatininwert, drohender Muskelabbau. Das ist bei einem aktiven, unkastrierten Galgo mit einem 2- bis 3‑fachen Energiebedarf besonders kritisch.
Die Suche nach dem Machbaren
Fertigfutter stand für mich selbst bzw. meine Hunde überhaupt nicht zur Debatte. Für uns war es nur eingeschränkt ein Thema, für unsere längeren Urlaube mit dem Van. Frischfleisch für drei Wochen und für zwei große Hunde ist im Camper keine Option. Durch Friedos Intoleranzen kamen nur extrem reduzierte Rezepturen in Frage. Unseren ersten gemeinsamen Urlaub saß ich im T4 über 1 Stunde am Gaskocher und kochte Moro-Suppe. Den zweiten Urlaub stieg ich auf Moro-Suppe aus der Tüte um. Den dritten Urlaub, kam die Moro-Suppe nicht zum Einsatz, aber Frido entschloss sich einfach nichts zu essen.
Zuhause wiederholte sich das regelmäßig, was ich mir aber selbst eingebrockt hatte, da ich aus Sorge vor weiterem Gewichtsverlust zu schnell Toppings anbot, damit der Hund was frisst. Seine Mäkelei habe ich damit unterstützt. Nach dem er die Kochrationen weiter sortierte und sein Blutbild sich verschlechterte pürierte ich seine Portionen. Den Brei hat er genau 1x angerührt. Ich gab mich geschlagen. Kochrationen funktionieren nicht für jeden Hund, das musste ich einsehen. Also auf zur Fertigfutter-Suche. Ein Hindernislauf der anderen Art. Denn die von der Tierarzt-Praxis empfohlenen Hydroallergenen oder hydrolysierten Futter, sind lange nicht so hochwertig wie es scheint. Außerdem berücksichtigen sie nur die häufigsten Unverträglichkeiten, sind aber nicht für s komplexe Fälle wie Fridolin geeignet. (Dazu folgt ein weiterer Beitrag.)
Ich gestaltete meine Suche also um und suchte nach Komponenten: Pferd, Hirsch oder Ziege, kombiniert mit Maniok oder Topinambur. Die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Ich wurde fündig. Eine handvoll Hersteller bot solche Produkte an, deren Nährstoffgehalte als auch das Calcium zu Phosphor Verhältnis annehmbar waren. Leider mit sehr niedrigem Fettanteil aber irgendwas muss ja in den Hund. Wir stellten langsam um, kombinierten Trockenfutter mit Nassfutter, da er keine großen Mengen schafft aber seinen Energiebedarf decken muss. Trockenfutter ist dem kaufaulen Rüden aber nichts, so dass der Dosenanteil größer werden musste und sobald er 2/3 Dose bekommt, wandelte sich sein fester Stuhlgang wieder zu Durchfall. Trotz Flohsamenschalen, trotz Vetbiom. Dominierender Dosenanteil = Durchfall. Selbst nach der Umstellung auf einen anderen Hersteller mit 0 % Konservierungsstoffen, Kräutern, Hefen, Seealgenmehl, Lachsöl – alles Dinge die Frido nicht verträgt.
Nochmal auf Anfang
Manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr und bei eigenen Hund ist man selbst als Frau vom Fach plötzlich völlig hilflos. Im Austausch mit einer Kollegin, der das nur allzu gut bekannt ist, habe ich den Tipp erhalten: Mach eine Selbstanamnese. Also habe ich für Frido meinen eigenen Anamnesebogen ausgefüllt. Einmal alles schwarz auf weiß. In dem Zusammenhang haben mich seine Einschränkungen gezwungen, mich nochmal ganz neu – und deutlich tiefer – mit dem Thema Kohlenhydrate, Stärke und vor allem resistente Stärke auseinanderzusetzen. Was ich dabei gelernt habe: Nicht jede Stärke ist gleich, und nicht jede Verarbeitung macht sie verträglich. (Auch dazu folgt ein Blogbeitrag.) So habe ich mich schließlich wieder an eine Kochration herangetastet. Neu für mich: Maniokmehl.
Zurück zum Selbstgekochten
Ich koche wieder selbst. Weil es für Frido nicht nur um das was, sondern auch um das wie geht. Mit gezieltem Einsatz von Proteinquellen, die er verträgt, sowie passenden Kohlenhydraten in resistenter Form – wie eben Topinambur und Maniok. Statt roher Knollen verwende ich hierfür praktikablere Varianten wie Pulver oder Flocken, die sich in den Alltag besser integrieren lassen. Fette kommen nur sehr dosiert in Form von Algenöl und – nach erfolgreicher Darmsanierung – wieder kleinste Mengen Maiskeimöl dazu. Statt Pferd dient uns nun Hirschfleisch als Proteinlieferant, denn der liefert einen etwas höheren Fettanteil, ähnlich dem von Ziegenfleisch. Wenn Frido wieder dauerhaft stabil ist, könnte man sich wieder an Lamm wagen, aber aus persönlichen Gründen möchte ich das Schlachten von Tierbabys nicht ankurbeln.
Die begleitende Darmsanierung
Um sein angeschlagenes Mikrobiom zu stabilisieren, habe ich eine mehrstufige Darmsanierung gemacht wie ich sie auch für Kunden inklusive Betreuung anbiete:
Darmreinigung, Darmaufbau und Wiederansiedlung guter Bakterien.
Seitdem hat sich sein Output zunehmend stabilisiert – auch, wenn es immer mal wieder Rückschläge gibt. Darmsanierungen sind manchmal ein auf und ab.
Die begleitende Schonkost, wird Grundlage seiner neuen Kochration.
Fazit: Lernen, was „bedarfsdeckend“ wirklich heißt.
Die größte Herausforderung war nicht nur die Auswahl der Zutaten – sondern die exakte Bedarfsberechnung bei einem Hund mit so hohem Energiebedarf, kombiniert mit einem so empfindlichen Organismus. Welche Lieferanten für Proteine, Fette, Kohlenhydrate, Ballaststoffe und Mineralstoffe? Ich musste lernen, dass „Allergiefutter“ oder „Hypoallergen“ oft nicht zutreffend ist, sondern besorgte Hunde-HalterInnen in die Irre führt. Ich musste Umwege gehen, um festzustellen, dass auch Fertigfutter nicht für jeden Hund geeignet ist. Ich musste erneut bestätigt bekommen, dass Kochrationen und Barfen, die einzige Fütterungsmethoden sind und bleiben, bei denen man die Kontrolle über die Zutaten, die Herkunft der Komponenten, die Qualität und die Nährstoffgehalte hat. Und für jeden Hund gibt es eine passende Eigenration, man muss nur manchmal umdenken. Frido hat mich gelehrt: Manchmal ist weniger nicht nur mehr – sondern das Einzige, was geht.